Es fühlt sich an wie eine weitere Existenzgründung. Nach vielen Jahren der freiberuflichen Tätigkeit, nach Familiengründung und langer Suche nach dem „richtigen“ Weg habe ich sowohl die staatliche Prüfung bestanden als auch die Beeidigung (so heißt es in Bayern) erreicht, und das meiste für mich nun noch neu und ungewohnt. Mein beruflicher Weg, wie die staatliche Prüfung gelaufen ist sowie meine ersten Schritte als beeidigte und allgemein bestellte Übersetzerin für Spanisch möchte ich hier für euch nun kurz erläutern.
Erster Schritt: die Weiterbildung
Während meiner beruflichen Laufbahn seit meiner Ankunft in Deutschland 1999 habe ich schon so einiges gemacht: Ich war zuerst jahrelang als Spanischdozentin in der Erwachsenenbildung tätig und habe mich entsprechend weitergebildet – über die VHS und die Partnerverlage, die Seminare für Dozenten anbieten, sowie im Rahmen eines Online-Masterprogramms über die Universidad de León im Bereich „Spanisch als Fremdsprache“.
Parallel dazu konnte ich meine ersten Kontakte mit deutschen Fachverlagen wie Langenscheidt oder dem Hueber Verlag knüpfen, wo ich als Autorin für Materialien tätig sein durfte.
Es war jedoch mein Wunsch, auch als Übersetzerin zu arbeiten, was mir auch in der freien Wirtschaft auch recht zügig gelang. Webseite aufgesetzt, regelmäßig auf XING sein und mitmachen (damals mein Hauptportal, heute LinkedIn), Netzwerken in der realen Welt, etc. haben mir dabei geholfen.
Ein neuer Abschluss muss her
Nur hatte ich aber immer den Eindruck, dass mir etwas fehlte: ein Abschluss als Übersetzerin. Ich hatte Germanistik in Barcelona studiert, damals mit dem vagen Ziel, später einmal als Deutschlehrerin zu arbeiten. Der Titel aber, der Abschluss im Bereich Übersetzen, fehlte mir – und war dazu noch die wichtigste Voraussetzung für die Beeidigung, sollte ich mich auch dem Urkundenübersetzen widmen wollen.
Aber neben der Arbeit kamen dann zunächst meine zwei Kinder. Obwohl ich weiterhin Aufträge hatte, vor allem von meinen Verlagskunden, habe ich diese Jahre als die „Große Pause“ in Erinnerung. Die Betreuung kleiner Kinder nimmt viel Zeit in Anspruch und erfordert ganztägigen Einsatz. Also hatte ich damals, Mitte 30 bis kurz vor Mitte 40, weder Zeit noch die Muße, zusätzlich zu meiner stundenreduzierten freiberuflichen Arbeit plus Kinderbetreuung auch noch für eine Prüfung zu lernen.
Die Pandemie als Chance
Dann aber kam die Pandemie. Im Nachhinein eine Art glückliche Fügung. Ich war schon längst daran gewohnt, von zu Hause aus für meine Stammkunden zu arbeiten. Abgesehen von der Tatsache, dass nun meine Familie ebenfalls zu Hause war, änderte sich für mich daher nicht viel. Und meine Kinder waren schon etwas älter und entsprechend selbstständiger.
Also fasste ich Ende 2020 den Entschluss, mich für eine einjährigen Online-Weiterbildung bei der Übersetzer- und Dolmetscherschule Köln einzuschreiben.
Diese Weiterbildung ging von Januar 2021 bis Januar 2022. Ich habe darüber ausführlich in diesem Blogbeitrag geschrieben (https://www.puntoyaparte.de/ein-jahr-weiterbildung/). Dies nur vorneweg: die Weiterbildung war ziemlich anspruchsvoll, aber auch sehr nützlich und praxisbezogen. Wir waren eine recht große Gruppe aus Deutschland und dem Ausland. Bei der schriftlichen Prüfung in Frankfurt im September 2022 haben wir uns endlich persönlich kennengelernt, was natürlich sehr schön war und auch gefeiert wurde.
Diese Vorbereitung war für mich wichtig und letztendlich ausschlaggebend. Vor allem ohne die Übungen Übersetzung Spanisch-Deutsch und Deutsch-Spanisch mit je zwei Doppelstunden in der Woche (also insgesamt sechs Stunden in der Woche) hätte ich die staatliche Prüfung nicht bestanden.
Rechtssprache: Hauptlektüre 2021-2022
Da diese Weiterbildung eher allgemein gehalten ist, hat sich meiner Meinung nach jedoch einen entscheidenden Nachteil: Sie bietet zu wenig Stunden im Bereich Rechtswesen und Rechtssprache an. Das sollte man nicht unterschätzen.
Bei der staatlichen Prüfung in Hessen, selbst wenn man bei der Anmeldung „Wirtschaft“ als Fach angibt, ist der Anteil an Prüfungsteile, für die Kenntnisse im rechtlichen Bereich Voraussetzung sind, relativ hoch. Der Multiple-Choice-Test zum Beispiel mag auf dem ersten Blick kurz erscheinen, ist aber ohne erste solide Rechts- und Rechtssprachekenntnisse nicht zu schaffen.
Also verbrachte ich die Jahre 2021 bis 2022 während meiner knappen freien Zeit (meistens am Wochenende) mit Büchern des BDÜ Fachverlags und Fachbüchern, die ich in der Uni-Buchhandlung für Studierende der Rechtswissenschaften fand.
Meine Vorahnung, dass dieser Fachbereich wesentlich wichtiger ist, als am Anfang denken mag, hat sich dann in der Prüfung bestätigt. Deswegen betone ich in diesem Blogbeitrag noch einmal, dass es wichtig ist, sich solide Rechtssprachekenntnisse anzueignen.
Zweiter Schritt: Die staatliche Prüfung
Und dann kam das Ende der Weiterbildung. Plötzlich wusste ich nichts mit der neugewonnenen Zeit am Abend anzufangen! Aber ich konnte wieder Literatur lesen und zur Entspannung Serien schauen.
Für die staatlichen Prüfung gibt es nur zwei Anmeldetermine pro Jahr, und zwar im Frühjahr und im Herbst.
Die Teilnehmenden meiner Lerngruppe und ich schrieben uns im Mai 2022 ein.
Die ersten zwei Prüfungen fanden im Juni und September 2022 statt. Die dritte hätte theoretisch auch Ende des Jahres stattfinden sollen, aber wir mussten uns noch ein wenig gedulden, denn die hessische Lehrekräfteakademie hatte organisatorische Schwierigkeiten..
Also legten wir die dritte Prüfung schließlich im Januar 2023 ab.
Die ersten zwei staatlichen Prüfungen
Inmeinem persönlichen Blog habe ich alle Teile der staatlichen Prüfung in zwei Blogbeiträgen detailliert beschrieben (https://www.puntoyaparte.de/die-erste-pruefung-als-staatlich-gepruefte-uebersetzerin/ und https://www.puntoyaparte.de/zweite-und-dritte-pruefungen-als-staatlich-gepruefte-uebersetzerin/).
Hier eine kurze Zusammenfassung: Die erste Prüfung (Hausarbeiten) ist meiner Meinung nach der einfachste Teil. Man muss vier längere Texte übersetzen und per Post zusenden. Dabei darf man alle Hilfsmittel verwenden, muss aber sie im Anhang der Übersetzung benennen.
Die zweite Prüfung (Klausuren) ist die schwierigste und diejenige, die am meisten Gewicht hat. Sie findet vor Ort statt, ist schriftlich per Hand zu leisten (wie in der Schule damals …) und man muss dabei auch Kenntnisse über Landeskunde nachweisen.
Die Ausrichtung erfolgt in zwei Tagen. Am ersten Tag stehen ein Aufsatz über Landeskunde und ein Multiple Choice Test an, amzweiten Tag insgesamt vier Übersetzungen, eine davon ohne Wörterbuch. „A pelo“, wie man auf Spanisch sagen würde.
Die dritte staatliche Prüfung
Diese letzte Prüfung ist mündlich und dauert „nur“ eine Stunde. Man muss mündlich drei Texte ad hoc bzw. aus dem Stegreif übersetzen. Davor und danach gibt es kurze Gespräche über Landeskunde, Hilfsmittel sowie eine kurze Konsekutivdolmetsch-Übung.
Diese Prüfung war der langersehnte Abschluss einer zweijährigen Vorbereitung mit viel Lernen.
Aber ich fuhr mit einer stolzen „2“ nach Hause zurück!
Antrag beim Landgericht
Nach München zurückgekehrt, bereitete ich alle nötigen Unterlagen vor, um einen Antrag auf Beeidigung beim Landgerichts München I zu stellen. Auf der Webseite des Gerichts gibt es ein Merkblatt als PDF-Datei mit allen nötigen Informationen.
Unter anderem muss man ein Führungszeugnis der Belegart „O“ beantragen und von der Urkunde als staatlich geprüfte Übersetzerin eine beglaubigte Kopie anfertigen lassen.
Die Bearbeitung ging diesmal schneller als ich erwartete. Man hatte mich von einer Frist von bis zu einem halben Jahr gewarnt … Aber Mitte März war es dann doch schon so weit – ich wurde für kurz vor Ostern zur Beeidigung eingeladen.
Die Beeidigung
Zur Beeidigung selbst geht man zum Landgericht, zahlt eine Gebühr und wird von einer Sachbearbeiterin in Empfang genommen, die schon alles vorbereitet hat. Es folgt dann eine kurze Belehrung über Gesetze und dann geht es kurz zum Richter/zur Richterin und man schwört vor ihm/ihr „gewissenhaft und treu zu übertragen“. Die Eidesformel ist etwas länger und man kann dabei „sowahr mir Gott helfe“ schwören.
Und Achtung, solltest du es noch nicht wissen: Nach dem neuen GdolmG (Gerichtsdolmetschergesetz), das am 01.01.2023 in Kraft getreten ist, gilt die Beeidigung bzw. Ermächtigung (so nennt sie sich in anderen Bundesländern) nur noch für fünf Jahre (in NRW war das schon immer der Fall). Das steht so in meiner Urkunde, in Bayern Bestallungsurkunde genannt.
Weitere Schritte: Meine Anfänge als Urkundenübersetzerin
Da die Beeidigung mit Ostern zusammenfiel, habe ich zunächst die Ferientage dazu benutzt, meine Webseite sowie meine Online-Profile entsprechend zu ändern bzw. mit der Angabe der Beeidigung zu erweitern.
Parallel dazu habe ich mir den Stempel besorgt, natürlich nach den Vorgaben des bayerischen Gesetzes entsprechend
Innerhalb kurzer Zeit habe ich meine ersten drei Urkunden übersetzt. Zwei Kunden haben mich über das Internet gefunden, die dritte war eine Vermittlung meines Kollegen Juan Carlos Upegui (https://www.upetext.com/language/de/)
Und ich habe in diesem fantastischen Shop https://urkundenuebersetzer-online.de/ eine Geburtsurkunde aus Kolumbien gekauft, die mir viel Zeit und Kopfverbrechen beim Formatieren erspart hat.
Weiterbildung
Bei allen erreichten Erfolgen ist Weiterbildung auch jetzt nicht zu vernachlässigen. Rechtskenntnisse sind immer aufzufrischen, in anderen Bereichen zu erwerben und zu vertiefen. Ich möchte jedoch ein Seminar mit anschließenden Zertifikat besonders hervorheben, das nicht nur aufgrund von GdolmG wichtig geworden ist.
Im Mai habe ich am Seminar „Deutsche Rechtssprache“ mit anschließender Prüfung bei Ahmet Yildirim (Home – Rechtssprache Dolmetscher Seminare (rechtssprache-dolmetscher.de)) in München teilgenommen (den Blogbeitrag von Ahmet könnt ihr hier lesen [LINK]).
Nach dem neuen Gesetz sollen künftig ÜbersetzerInnen diesen Nachweis erbringen, wenn sie sich als Dolmetscher beeidigen bzw. ermächtigen möchten.
Aber das Zertifikat gilt weiterhin als „alternativer Befähigungsnachweis“ für die sogenannten „kleinen Sprachen“, für die es in Deutschland keine Prüfungsmöglichkeiten als ÜbersetzerIn gibt.
Und das ist für mich bei Katalanisch der Fall.
Die Prüfung habe ich bestanden, und ich werde demnächst einen Antrag an das Landgericht München I für die Beeidigung für die Katalanische Sprache stellen. Was ich alles sonst benötige, weiß ich noch nicht.
Aber bei der Beeidigung für Spanisch hat mir die Sachbearbeiterin versichert, dass sie einen solchen Antrag überprüfen werden.
Fazit
Dieses Jahr bleibt spannend. Ich habe noch viel zu tun, wie zum Beispiel mir eine qualifizierte digitale Signatur zu beschaffen oder die Anerkennung in Spanien zu erwirken. Aber ich habe schon meine ersten Urkunden bestätigen können und ich bin mir meiner Verantwortung dabei sehr bewusst. Ein Satz beim Seminar „Deutsche Rechtssprache“ ist mir besonders in Erinnerung geblieben: „An Urkunden hängen Schicksale“. Wie wahr. Gewissenhaft und treu habe ich immer übersetzt. Ab jetzt dazu noch mit Stempel sowie mit dem Bewusstsein, damit Menschen helfen zu können.
Beitrag veröffentlicht am 24.07.2023.
von Montserrat Varela Navarro
staatlich geprüfte Übersetzerin für die spanische Sprache (Wirtschaft & Recht, Prüfungsamt Hessen), MA German Studies (Universität Dresden), Lehrbeauftragte an der LMU München (Katalanisch)
Inhaberin von www.puntoyaparte.de
