Beitrag erstellt am 26.12.2023
von Ahmet Yildirim.
(Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag das generische Maskulinum verwendet. Die in diesem Text verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.)
Die Rechtssprache ist die Sprache, die in Verwaltung und Justiz praktiziert und umgangssprachlich auch vereinfacht Juristendeutsch genannt wird. Sie hat besondere Merkmale, die sie von der Alltagssprache unterscheiden, wie Fachbegriffe, komplexe Satzstrukturen und juristische Methodik. Die Rechtssprache ist für Dolmetscher und Übersetzer eine unverzichtbare Fachsprache, die sie beherrschen müssen, um in der Justiz und der Verwaltung tätig zu sein. In diesem Beitrag erfährst du, warum die Rechtssprache so wichtig ist, und wie du sie erlernen kannst. Außerdem informiere ich dich über das neue Gerichtsdolmetschergesetz (GDolmG), das seit dem 1. Januar 2023 in Kraft ist und die Zulassung von Dolmetschern und Übersetzern in Deutschland regelt. Das GDolmG stellt hohe Anforderungen an die Sprachkenntnisse und die Rechtssprache der Sprachmittler, die du kennen solltest, wenn du dich als Dolmetscher oder Übersetzer beeidigen, vereidigen oder ermächtigen lassen willst. Dieser Beitrag richtet sich an alle, die sich für die Rechtssprache und das GDolmG interessieren, insbesondere an angehende oder praktizierende Dolmetscher und Übersetzer.
Warum Rechtssprache?
Die Kenntnisse der Rechtssprache sind für Dolmetscher und Übersetzer von essenzieller Bedeutung, da heute im Rechtsverkehr die Fachsprache der Behörden und Justiz aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Ganz gleich, ob man bei Behörden dolmetscht oder vor Gericht: von einem Dolmetscher wird immer erwartet, dass er sich in der Rechtssprache gut auskennt. Wenn im Zivilprozess über Einwilligung, Zustimmung oder Genehmigung gestritten wird, oder wenn es um banale Dinge wie Sittenwidrigkeit von Klauseln in Nebenabreden geht, dann muss der Dolmetscher in der Lage sein, die Feinheiten und Nuancen der Rechtssprache zu erkennen und diese auch korrekt zu übertragen. Ein Übersetzer wird eine Anklageschrift problemlos übersetzen können, wenn er mit den Stufen des Strafprozesses vertraut ist, die unterschiedlichen Täterbegriffe (Haupttäter, Mittäter, Gehilfe und Anstifter) auseinanderhalten kann und den Unterschied zwischen Beschuldigter, Angeschuldigter und Angeklagter genau kennt. Ein der Rechtssprache fachkundiger Dolmetscher weiß auch, dass der Nebenintervenient nicht mit dem Nebenkläger zu verwechseln ist. Die Konkurrenzen im Strafrecht sind für ihn keine böhmischen Dörfer, er weiß nur zu gut, dass diese immer dann eine Rolle spielen, wenn der Täter mit einer Handlung mehrere Straftatbestände oder einen Tatbestand mehrmals verwirklicht hat. Im Ergebnis ist zu sagen, dass es für Dolmetscher und Übersetzer immer lohnenswert ist, sich die Rechtssprache anzueignen. Die Vorteile liegen klar auf der Hand, denn ohne Rechtssprache kommen wir heute nicht mehr aus.
Mit Inkrafttreten des GDolmG ist der Nachweis der „Grundkenntnisse der deutschen Rechtssprache“ (§ 3 Antrag auf allgemeine Beeidigung) für die Beeidigung von Gerichtsdolmetschern bundesweit obligatorisch geworden. Das GDolmG ersetzt die bisherigen landesrechtlichen Regelungen für die Beeidigung von Gerichtsdolmetschern. Wichtig in diesem Zusammenhang: es werden „nur“ Grundkenntnisse der deutschen Rechtssprache und nicht in der Zielsprache verlangt.
Voraussetzungen der Beeidigung nach GDolmG
Um als Dolmetscher nach GDolmG beeidigt zu werden, muss man persönliche und fachliche Eignung nachweisen. Persönliche Eignung bedeutet, dass man keine Vorstrafen, laufende Ermittlungen oder Insolvenzen hat und nicht im Schuldnerregister eingetragen ist. Fachliche Eignung erfordert eine bestandene staatliche Dolmetscherprüfung in Deutschland und Grundkenntnisse der deutschen Rechtssprache. Wer im Ausland eine gleichwertige Prüfung abgelegt hat, kann diese von einer zuständigen deutschen Stelle anerkennen lassen. In einigen Bundesländern, wie NRW und Niedersachsen, ist dafür die hessische Lehrkräfteakademie in Darmstadt zuständig. In den Sprachen, für die keine inländische staatliche Prüfung angeboten wird, kann man die Eignung auch mit dem alternativen Befähigungsnachweis (§4 Alternativer Befähigungsnachweis; gleichwertige Qualifikationen) nach der Berufsanerkennungsrichtlinie belegen, wenn das Gericht hierfür einen besonderen Bedarf sieht.
Die Fachkenntnisse sind dann in geeigneter Weise gem. 4 Abs. 2 GDolmG nachzuweisen:
Als Nachweis für Sprachkenntnisse der deutschen sowie der zu beeidigenden Sprache kommen insbesondere in Betracht:
- die Urkunde über ein abgeschlossenes Studium an einer staatlich anerkannten Hochschule im Ausland, ohne dass der Abschluss von einer zuständigen deutschen Stelle als vergleichbar eingestuft worden ist,
- ein C2-Sprachzertifikat des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen eines staatlich anerkannten Sprachinstituts,
- das Zeugnis einer Industrie- und Handelskammer über den Erwerb des anerkannten Fortbildungsabschlusses Geprüfter Übersetzer oder Geprüfte Übersetzerin nach der Übersetzerprüfungsverordnung vom 8. Mai 2017 (BGBl. I S. 1159) oder
- der Nachweis über das Bestehen eines staatlichen Verfahrens zur Überprüfung der Sprachkenntnisse.
Das GDolmG regelt nur die Beeidigung von Dolmetschern, nicht von Übersetzern. Für diese gelten je nach Bundesland verschiedene landesrechtliche Regelungen. Einige Bundesländer, wie NRW und Rheinland-Pfalz, haben das GDolmG auf Übersetzer übertragen. Niedersachsen hingegen hält an den alten landesgesetzlichen Regelungen fest.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Das GDolmG ist ein Gesetz, das die Zulassung von Dolmetschern und Übersetzern bundesweit einheitlich in Deutschland regeln soll. Es ist aber umstritten, ob es verfassungsgemäß ist und ob es die Qualität der Sprachmittlung verbessert. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das GDolmG wurde am 15.12.2023 mit finanzieller Unterstützung des ADÜ-Nord e.V. eingereicht. Mit dem GDolmG greift der Bund m.E. unzulässig in die Gesetzgebungskompetenz der Länder ein. Er will die Zulassung von Dolmetschern und Übersetzern bundesweit regeln, obwohl ausschließlich die Länder dafür zuständig sind. Das GDolmG legt berufsrechtliche Regelungen fest, vor allem für die Ausbildung und Qualifikation der Berufsgruppe. Diese fallen jedoch unter die Bildungshoheit der Länder.
Wenn das Bundesverfassungsgericht das GDolmG aufheben würde, hätte dies verschiedene Folgen für die betroffenen Dolmetscher und die Rechtspflege. Einige mögliche Folgen sind:
Die bisher ermächtigten oder beeidigten Dolmetscher und Übersetzer würden ihren Status behalten und müssten keine neue Prüfung ablegen. Die landesrechtlichen Regelungen für die Zulassung von Dolmetschern und Übersetzern würden weiterhin gelten oder neugestaltet werden.
Die IHK-Prüfung für Übersetzer würde wieder an Bedeutung gewinnen und als Nachweis der Fachkenntnisse anerkannt werden. Die Bildungshoheit der Länder würde respektiert und die Vielfalt der Ausbildungswege und Qualifikationen gewahrt werden. Die Qualität der Sprachmittlung würde nicht nur von formalen Kriterien, sondern auch von der Erfahrung und dem Können der Dolmetscher und Übersetzer abhängen.
Wie kann ich mir die Rechtssprache aneignen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Rechtssprache zu erlernen. Einige davon sind:
Das Lesen von Gesetzestexten, Kommentaren, Urteilen und anderen juristischen Texten, um sich mit dem Stil und dem Vokabular der Rechtssprache vertraut zu machen. Dabei kann man auch laut vorlesen, um die Aussprache und Betonung zu üben.
Das Schreiben von juristischen Texten, wie z. B. Gutachten, Anträgen oder Klageschriften, um die Struktur und die Argumentation der Rechtssprache zu trainieren. Dabei sind die formalen Anforderungen, wie z. B. die Zitierweise, zu beachten.
Das Besuchen von Seminaren, Workshops oder Kursen, die sich mit der Rechtssprache beschäftigen. Dabei kann man von erfahrenen Dozenten die richtige und verständliche Anwendung der Rechtssprache lernen. Es gibt Online- und Präsenzseminare zur Rechtssprache. Wichtig ist, einen Dozenten zu wählen, der Jurist und Sprachmittler ist.
Das Nutzen von Online-Ressourcen, wie z. B. Websites, Blogs, Podcasts oder Videos, die sich mit der Rechtssprache befassen. Dabei kann man sich über aktuelle Themen, Tipps und Tricks, Beispiele und Übungen informieren.
Wir hoffen, dieser Artikel hilft dir auf deinem Weg bei der Aneignung der deutschen Rechtssprache im Hinblick auf eine Vereidigung, Beeidigung oder Ermächtigung als Dolmetscher und/oder Übersetzer. Wenn dich die Seminare des Autors zu Rechtssprache interessieren, findest du hier die nächsten Termine:
Seminar- & Prüfungstermine – Rechtssprache Dolmetscher Seminare (rechtssprache-dolmetscher.de)

Ahmet Yildirim ist ein Jurist und Sprachmittler, der sich auf die Rechtssprache spezialisiert hat. Er hat an der Universität Hannover Rechtswissenschaften studiert und das zweite Staatsexamen in Hannover und Istanbul abgelegt. Von 2004 bis 2018 war er als Rechtsanwalt in Hannover tätig. Seit 1993 arbeitet er zudem als Dolmetscher und Übersetzer für die Sprachen Türkisch und Kurdisch-Kurmanci. Er ist allgemein beeidigt und ermächtigt beim Landgericht Hannover für die türkische Sprache. Ahmet Yildirim bietet seit 2013 Seminare und Prüfungen zur Rechtssprache für Dolmetscher und Übersetzer an, die bundesweit anerkannt werden.